Hydrologische Gefährdungsanalyse des Waldgebietes
Website: | Lernmanagement System von Landesforsten Rheinland-Pfalz |
Kurs: | Wasserrückhalt im Wald |
Buch: | Hydrologische Gefährdungsanalyse des Waldgebietes |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Samstag, 23. August 2025, 14:09 |
1. Waldbezogene hydrologische Gefährdungsanalyse
Für die waldbezogene hydrologische Gefährdungsanalyse müssen zahlreiche Aspekte in den Blick genommen werden. Hierzu gehören neben den Klimadaten die Niederschlagsverteilung, Geologie, Bodensubstrate, Erschließung, Hangneigung, hydro-morphologische Situation etc. Eine sorgfältige Analyse ermöglicht ein Konzept mit spezifischen Lösungsansätzen.
2. Betriebliche Kenndaten
Der Gemeindewald Gehlert gehört mit 303 ha Gesamtwaldfläche neben dem Gemeindewald Alpenrod und Staatswald organisatorisch zum staatlich beförsterten Bildungsrevier Alpenrod-Gehlert. Das Dorf Gehlert liegt knapp 2 km südlich der Stadt Hachenburg (Sitz der gleichnamigen Verbandsgemeindeverwaltung) im Rothenbachtal und ist eine Wohngemeinde mit etwas mehr als 600 Einwohnern und drei mittelständischen Betrieben. Bereits im Ortswappen begegnet dem Betrachter ein goldener Brunnen, der auf den Wasserreichtum in der Gemarkung hinweist. Wassergewinnungsanlagen im Gemeindewald versorgen sowohl die örtliche Bevölkerung als auch die Stadt Hachenburg und nicht zuletzt die Hachenburger Brauerei.
3. Naturräumliche Einordnung
Naturräumlich betrachtet ist die Gemarkung Gehlert Teil des Dreifelderweiherlandes im Oberwesterwald und zählt damit zum Naturraum Westerwald in der Großregion des Rheinischen Schiefergebirges.
4. Gemarkungsfläche Gehlert
Der, bis auf die Grenzlagen zu den Gemarkungen Alpenrod im Osten und Steinebach an der Wied im Süden, überwiegend nordexponierte Gemeindewald erstreckt sich auf Höhen von 340 m üNN im Rothenbachtal nordwestlich der Ortslage und bis auf 493,5 m üNN auf dem „Gietzebeul“ im Süden und stellt damit fast genau zwei Drittel der gesamten Gemarkungsfläche Gehlert von 520 ha dar.
Kartenausschnitt der Gemarkung Gehlert (rot abgegrenzt)
5. Historische Karte des Waldstandorts
Gehlert ist ein Waldstandort mit langer Tradition. Wie der "Kartenaufnahme der Rheinlande" von Tranchot und von Müffling aus dem Jahre 1819 zu entnehmen, war die Gemarkung bis auf den äußersten Nordosten entlang der alten Poststraße (als Zubringer zur Köln-Frankfurter Straße bzw. heutigen B 8) und das Rothenbachtal bereits damals von Wald geprägt.
Die Ortsbevölkerung ist sehr waldverbunden und erfreut sich einer großen Brennholzkundschaft.
"Kartenaufnahme der Rheinlande" von Tranchot und von Müffling, 1819
6. Waldfunktionen
Wasserschutzgebiete
Der Gemeindewald ist mit zahlreichen Schutzkategorien überzogen, die sowohl eine Anerkennung seines Wertes sind als auch eine Erschwernis seiner Bewirtschaftung nach sich ziehen.
Satte 90 % der Waldflächen liegen im Trinkwasserschutzgebiet Hachenburg-Süd:
Wasserschutzzone 1 | 0,6 % (1,9 ha) mit insgesamt 7 Quellfassungen |
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Wasserschutzzone 2 | 20,2 % (61,3 ha) |
Wasserschutzzone 3 | 66 % (199,8 ha) |
Schutzkategorien
Unter den Schutzkategorien kommt der Wasserschutzfunktion sowohl in der Bedeutung für den Allgemeinnutzen als auch bei der Waldbewirtschaftung die mit Abstand größte Bedeutung zu. Aktive Retentionsmaßnahmen, insbesondere mechanischer Natur, unterliegen den Bestimmungen der Wassergesetzgebung und bedürfen bislang stets einer engen Abstimmung mit den jeweils zuständigen Wasserbehörden und deren Genehmigung.Klimaschutzwald
nach der Forsteinrichtung: 39%
Biotopschutz
5% (15 ha) des Waldes sind als Kleinseggenriede (1 Waldstandort), Bruch-/ Sumpfwälder (1 Waldstandort), Quellbereiche/-sümpfe (9 Waldstandorte) sowie naturnahe Bachabschnitte (9 Waldstandorte) biotopkartiert. Zahlreiche weitere, bisher nicht biotopkartierte, Quellen finden sich im Gemeindewald.
45% der Gesamtfläche liegen im Landschaftsschutzgebiet "Westerwälder Seenplatte" und 69% im Vogelschutzgebiet "Westerwald".
7. Klimadaten Gehlert
Das Klima im Betrachtungsraum ist gemäßigt warm mit, bis in die jüngere Vergangenheit, ganzjährig ergiebigen und gleichmäßig verteilten Niederschlägen. Die Jahresdurchschnitts-temperatur beträgt für den Zeitraum 2014–2023 8,9°C. Im selben Zeitraum fielen jährlich im Durchschnitt 1.040 mm Niederschlag. Durch den Klimawandel verändern sich jedoch die Temperatur- und Niederschlagsbedingungen.
Während die Durchschnittstemperaturen steigen, fallen die Niederschläge konzentrierter und vermehrt in der vegetationsfreien Zeit, also nicht mehr gleichmäßig über das Jahr verteilt und sind damit größtenteils nicht pflanzenverfügbar. Niederschläge während der Vegetationszeit sind oft sehr kurz anhaltende Starkregenereignisse wie unter anderem auch auf der Starkregenereigniskarte für den Bereich südlich von Hachenburg ersichtlich:
Die Waldflächen entwässern nahezu vollständig ins Rothenbachtal, wo sich Wassermassen sammeln und die Ortslage Gehlert, vor allem aber bachabwärts den Hachenburger Stadtteil "Altstadt", bei Starkregenereignissen gefährden können.
8. Geologie und Böden Gehlert
Unter diesen klimatischen Veränderungen spielen die Geologie und die daraus resultierenden Standortsverhältnisse im Wald eine entscheidende Rolle für die Wachstumsbedingungen der Bäume und die Bewirtschaftung im Jahresverlauf. Das devonische Grundgestein aus Tonschiefer, durchsetzt mit Grauwacke, wird unregelmäßig durchbrochen von Basalt. Bei den aus deren Verwitterung entstandenen Böden handelt es sich sehr häufig um sogenannte "Zweischichtböden" mit einer wasserleitenden und einer wasserstauenden Schicht unter der Humusauflage. Erstere ist dabei eher geringmächtig, d. h. die wasserstauende Schicht aus Lehm mit unterschiedlich hohen Anteilen von Ton steht relativ hoch an.
Die, vor allem außerhalb der Vegetationszeit fallenden Niederschläge, können daher nur begrenzt im Waldboden gespeichert werden. Alle Niederschlagsmengen darüber hinaus "stehen" quasi auf den Flächen und erschweren und verzögern vor allem einen bodenschonenden Maschineneinsatz bei der Bewirtschaftung.
Gerade die Laubholzernte fällt dabei genau in den Zeitraum, in welchem die Bäume kein Wasser benötigen, dieses aber reichlich vorhanden ist. Umgekehrt trocknen diese Böden bei ausbleibenden oder nur geringen Niederschlägen während der Vegetationszeit schnell aus. Genau dann, wenn die Bäume sehr viel Wasser zum Leben benötigen.
Die Auswirkungen, vor allem auf Senkerwurzler wie Fichte, die bereits beim ersten Kontakt mit einer Stauschicht im Boden zum Flachwurzler wird, hat man in den lange trockenen und heißen Sommern ab 2018 gesehen. Wo bis dahin noch ertragreiche Fichten stockten, sieht sich der Mensch heute zum Teil riesigen Kahlflächen gegenüber. Fehlen dann wie im Winter 2017/18 die Niederschläge auch außerhalb der Vegetationszeit, haben auch tiefer wurzelnde Baumarten, wie alte Buchen, Stress und zeichnen mit Kronenschäden oder fallen komplett aus.
Die im Gemeindewald Gehlert großflächig vorhandene Staunässe wird im Layer "Stau-/Grundnässe" des Karteprogramms "WaldIS" von Landesforsten Rheinland-Pfalz ersichtlich.
Die teilweise extreme Trockenheit während der Vegetationszeiten der Jahre 2018 bis 2022 hat die Fichte geschwächt und quasi wehrlos gegenüber einem Befall mit dem Borkenkäfer gemacht. Aus einem, nach den Forsteinrichtungsdaten aus dem Jahre 2009, vor allem mit Fichte gut bevorrateten Gemeindewaldbetrieb (Flächenanteil 41 %) mit weiter ansteigender Vorratstendenz, wurde in Folge der Zwangsernten und des teilweise auch bewussten Belassens abgestorbener Fichtenkomplexe (Flächenanteil Fichte auf 9 % gesunken) – vor allem auf nur sehr schwer zu bewirtschaftenden Flächen – seit 2018 ein buchendominierter Aufbaubetrieb, der im Zuge der künstlichen Wiederbewaldung deutlich mit Eiche angereichert wurde und wird.
In den nächsten Jahrzehnten sind durchgehend negative Betriebsergebnisse zu erwarten.
In Schummerungskarten kann man häufig zusätzlich alte Entwässerungsgräben, Bachläufe und entwässernde Strukturen, aber auch historische Strukturen wie Steinbrüche, erkennen. Es lohnt sich, die verschiedenen Himmelsrichtungen auf der Schummerungskarten anzusehen, um den besten Blickwinkel auf die sichtbaren Strukturen zu finden. Nicht jede Schummerungskarte zeigt die Strukturen gleich gut.
Ausschnitt Schummerungskarte südlich von Gehlert: zu erkennen Steinbruch, Entwässerungsgräben und Quelle
9. Fazit
Wasserrückhalt im Gemeindewald Gehlert ist sowohl aus allgemeiner als auch betrieblicher Sicht ein wesentlicher Baustein der Waldbewirtschaftung. Zwei Drittel der Gemarkung sind bewaldet, entscheiden also maßgeblich darüber, wieviel Wasser in die bewohnte Tallage gelangt. Die Wasserspeicherfunktion ist durch die beschriebenen "Zweischichtböden“ spürbar begrenzt und die heute große Anzahl und Ausdehnung der kahlen oder gerade erst wiederbewaldeten Flächen können die Interzeptionsleistung eines geschlossenen Kronendaches bei weitem noch nicht erbringen. Das macht es unabdingbar, unter der gegebenen Ausstattung und den Regelungen der Wassergesetzgebung alle Möglichkeiten wahrzunehmen, Wasser im Wald zu halten, damit die Bäume auch unter Stressbedingungen während trockener Perioden in der Vegetationszeit ausreichend versorgt werden.
Kartenmaterial und digitale Informationsquellen, seien sie historisch oder aktuell, können dabei lediglich als Orientierungsgrundlage dienen. Niemals ersetzen sie die Begehung und Begutachtung der Flächen durch Forstleute (Waldbesitzende etc.). Die "Feldarbeit zu Fuß mit offenen Augen" bleibt das entscheidende Instrument einer belastbaren Planung des Wasserrückhaltes im Wald.